Anmerkung im Jahr 2022: Diese Seite begann ca. 2005 und wird seitdem durch die Ergänzung weiterer Bücher aktualisiert. In den alten Texten wurden nur einige "broken links" entfernt.

 

Wie 'funktioniert' eigentlich Geschichte?

Eine Sammlung von 'nicht ganz traditionellen' Welt-Geschichtsbüchern

 

Ein sehr interessantes Buch ist "Millenium" von Felipe Fernández-Armesto. Er stellt sich auf den Standpunkt eines galaktischen Museumkurators, der für den Saal "Planet Erde, 1000-2000 christlicher Zeitrechnung" zuständig ist. Er muss entscheiden, welche Exponate er ausstellen will, er muss auswählen zwischen Dosen mit Diet Coke, Ritterrüstungen, chinesischem Porzellan und amerikanischen Quipu-Schnüren. D.h. der Kurator hat den Vorteil eines großen Abstandes, zeitlich und räumlich. Wieviel Platz muss z.B. der Kolonialismus in diesem Raum einnehmen?

2000 Jahre Wirtschaftsgeschichte in einer Grafik (Achtung, die Zeitscala ist stark skaliert). Es geht um die Anteile von Wirtschaftsgebieten an der Weltwirtschaft. Interessant finde ich, dass der Anteil von Italien, Spanien, Deutschland, Frankreich über die letzten 2000 Jahre recht konstant geblieben ist, China ist nur ca. auf dem Stand von 1800, auch Indien hatte über lange Zeit einen überaschend großen Anteil an der Weltwirtschaft. England war ein Spätstarter nach dieser Grafik.
Quelle: Over 2,000 Years of Economic History in One Chart

Fernández-Armesto zeigt, dass in der ersten Hälfte des letzten Jahrtausend die arabische Kultur und die chinesische absolut dominierend waren. Erst im Laufe der letzten paar hundert Jahre, so Fernandez-Amesto, hat sich die Vorherrschaft des Westens, der atlantischen Zivilisationen, herausgebildet, (die sich aber bereits dem Ende nähern könnte). Siehe dazu auch das Debakel der USA im Irak ......., speziell die Auswirkungen auf das Ansehen der westlichen Kultur durch die Folterfotos aus dem Irak .......

 

Umschlagbild von Ian Morris, why the west rules for now

 

Und jetzt meine Ergänzungen in 2021:
Ian Morris, "Why the West Rules - For Now". Sehr ähnlich zu "Millenium", aber jetzt für die ganze Menschheitsgeschichte. Das ist quasi eine Fortsetzung des im nächsten Abschnitt kommentierten Buchs von Jared Diamond: Arm und Reich - Die Schicksale menschlicher Gesellschaften.

Jared Diamond zeigt auf, warum Geographie und die Zahl der domestizierbaren Pflanzen und Tiere den Reichtum des Nordens und die Armut des Südens sehr gut erklärt. Ian Morris hingegen geht weiter: er setzt darauf auf und untersucht an Hand eines "Zivilisationsindex" wie das Auf und Ab zwischen dem Westen (d.h. primär der sog. Nahe Osten) versus dem Osten (primär China) entwickelt hat.

Grafik aus dem Buch von Ian Morris das aufzeigt, dass die Zivilisationsentwicklung in Westen (Zweistromland) und China sehr parallel lief, bis ca. 1500 der Westen vorgezogen ist
Grafik aus dem Buch von Ian Morris
Die Grafik zeigt, dass die Ökonomie von 'Ost' und 'West' von 14 000 vor unserer Zeit bis ca. 1800 gut vergleichbar waren, aber dann kam 200 Jahre 'Anomalie'

Es zeigt sich, dass der Westen auf Grund der Geographie, Fauna und Flora mit einem guten Vorsprung startet, sich rund um Christi Geburt Ost und West (Mittelmeerraum) ähnlich gut entwickelte, dann aber der Osten einen guten Vorsprung herausarbeitete, den der Westen (u.a. mit Kopierarbeit) aufholen konnte und dann die am Atlantik grenzenden Länder sich auf Grund des ab ca. 1490 technologisch schiffbaren Atlantiks mit den Edelmetallen die in Amerika zu rauben waren zu viel Reichtum gebracht hatten.

Außerdem half den europäischen Staaten, dass sie auf Grund der Übernahme des Schwarzpulvers aus China und der starken Weiterentwicklung von Schusswaffen (auf Grund der innereuropäischen Kriege bestand dafür sehr viel Anreiz) militärisch alle anderen Gebiete der Welt bei Militärtechnik überholen konnten. Dadurch entstanden ca. 400 Jahre, in denen der Westen die Welt beherrscht hat. Zuletzt spekuliert er über die Zukunft.

Für mich ein tolles Buch: Endlich macht Geschichte mal Sinn. Eine andere (m.E. ergänzende) Perspektive mit der Erklärung warum Asien und Europoa gegenüber Afrikanischen Ländern reich sind bringt Jared Diamond: Arm und Reich".

Graham Morris, Destined for War

 

Nun quasi eine Fortsetzung in die Zukunft (auf Basis eines tiefen Rückblicks in die Geschichte):
Graham Allison - Destined for War.

Es geht um die spannende Frage, ob die sog. Thukydides-Falle vermieden werden kann. Dieser Begriff bezieht sich auf den griechischen Geschichtsschreiber Thucydides, der eine der ersten Geschichtsanalysen verfasst hat: Der Peloponnesische Krieg. Thukydides bezeichnete darin den Krieg zwischen Sparta und Athen als "unvermeidlich". Er kam dazu, weil die damaligen Politiker keine Möglichkeit fanden, den Konflikt zwischen der traditionellen griechischen Militärmacht Sparta und der aufsteigenden Wirtschaftsmacht Athen auf anderem Weg zu klären, obwohl sich Politiker in Sparta und Athen stark darum bemüht hatten (weil ihnen klar war, dass so ein umfassender Krieg für alle ein Desaster werden würde).

Graham Allison untersucht dann 16 andere Situation in der Geschichte wo ein aufsteigender Staat den bisherigen Hegemon 'bedrohte'. Von den 16 untersuchten historischen Situationen konnten nur 4 friedlich beigelegt werden. Zu den unfriedlichen Beispielen gehört z.B. der Auftakt zum 1. Weltkrieg, als friedliches Beispiel nimmt er die 'Aufteilung der Welt' zwischen Spanien und Portugal ca. 1500.

Allison schreibt das Buch, weil er im Konflikt zwischen China und den USA genau wieder so eine Situation sieht. Der 'Emporkömmling' China fühlt sich vom Hegemon USA nicht anerkannt, nicht ernst genommen und versucht auf verschiedene Weise seine wirtschaftliche, politische, wissenschaftliche und immer mehr auch militärische Macht so einzusetzen, dass 'die Schmach der letzten 400 Jahre' (ein Stichwort z.B. die traurige Episode des Opium-Krieg, in dem Großbritannien China zwang, den Opium-Handel der britischen Händler nicht zu behindern: Opium Anbau in Indien, dann Verkauf an die immer mehr werdenden Süchtigen in China - ein moralischer Tiefpunkt der westlichen Kolonialgeschichte).

Allison hofft, dass die Politiker es diesmal schaffen, einen Weg zu finden, die aufsteigende Großmacht China in die Weltpolitik zu integrieren, ohne dass es zum Krieg kommt.

Wie das aussehen könnte, falls die friedliche Lösung nicht gefunden wird, das wird 2 mal literarisch behandelt.

Eine Studie des US Center for Strategic and International Studies Coping with Surprise in Great Power Conflicts spekuliert zu Überraschungen in internationalen Machtkonflikten. Eines der 18 Szenarien die im Anhang der Studie (siehe PDF auf der Seite des vorigen Links) beschrieben sind, beschreibt, wie China Taiwan erobern könnte und zwar ohne einen Schuss abzugeben, nur mit ganz viel Fake News in Social Networks - recht spannend. (Der vorige Link führt zu einer Zusammenfassung des Szenarios das in der Studie Vignette #4 genannt wird: "Assassin's Mace" "Asymmetric Cyber Attack, zu finden auf Seite 109 des verlinkten PDFs im 1.Link). (Siehe dazu auch die Äußerungen von Xi Jingping, dass die Wiedervereinigung mit Taiwan kein Projekt für spätere Generationen sei und dabei auch den Einsatz von Gewalt nicht ausschloss.)

Die zweite Spekulation ist ein ganzes Buch (Elliot Ackerman, James Stavridis: 2034 A Novel of the Next World War), geschrieben von Experten in maritimer Kriegsführung. Wieder beginnt der Konflikt mit den Spratley-Islands, die Gegenwehr der US-Schiffe wird mit Cyberangriffen verhindert, dann kommt eine Besetzung Taiwans (ohne dass geschossen wird) und wie es nach der taktischen Kernwaffe auf einen chinesischen Hafen weitergeht, das lässt das Buch offen.

 

Und weiter geht es mit meinem Versuch, Weltgeschichte zu verstehen:
Tim Marshall - Die Macht der Geographie

Marshall konzentriert sich von den vielen Aspekten die z.B. bei Ian Morris analysiert werden nur auf die Geographie (d.h. hohe schwer passierbare Gebirge, Flüsse die natürliche Grenzen bilden, Insellagen). Er beginnt z.B. mit Russland, dessen flache Ebenen im Osten immer wieder den Einmarsch oder Durchmarsch von feindlichen Armeen ermöglicht haben. Weitere Themen sind: China, die USA mit ihrer (fast-)Insellage, Westeuropa, Afrika in seiner geographischen Isolierung (siehe auch Jared Diamond im nächsten Abschnitt), der sog. Nahe Osten, etc.

 

 

David Graeber: "Schulden. Die ersten 5000 Jahre" - Zur Geschichte des Geldes

Auch ein Geschichtsbuch, aber ausgehend von der Geschichte des Geldes und des Konzepts "Schulden", bzw. 'Schuld'. Der Autor ist Anthropologe und beschäftigt sich extrem gründlich mit der Frage, wo Geld eigentlich, historisch, herkommt. Dabei widerlegt er jede Menge gängige Theorien über Geld und Handel und Wirtschaft und Märkte, behandelt die letzten 5000 Jahre fast der gesamten Welt und stößt auch in der Kultur immer wieder auf (für mich) verblüffende Details. Es geht (auch) um Religionen (.. und vergib uns unsere Schuld, so wie wir vergeben unseren Schuldigern …) und Sklaverei und ähnliches, sehr spannend.

Seine (detailliert belegte) These ist, dass das ganz ursprüngliche 'Geld' das Konzept des 'Anschreiben-lassen' war, d.h. Menschen führen Buch, wer mir wie viel 'schuldet' und einmal im Jahr wird gegengerechnet.

Er schreibt, in den letzten 5000 Jahren Geldwirtschaft sei die bargeldlose Zahlung immer wieder über lange Perioden die übliche Geldwirtschaft gewesen, z.B. weil es über lange Zeiten, z.B. nach dem Zusammenbruch des römischen Reiches, gar keine Münzen gab (und 'Scheine' sowieso nicht).

 

 

Anthropologe David Graeber und Archäologe David Wengrow: The Dawn of Everything: A New History of Humanity - auf deutsch: Anfänge: Eine neue Geschichte der Menschheit

Die Autoren hinterfragen mit vielen Belegen aus den Forschungsbereichen der beiden die gängige Theorie, dass sich die Menschen in ihrer Geschichte unweigerlich aus der Jäger-und-Sammler Phase, über die Landwirtschaft zu den heutigen industriellen Staaten entwickelt haben. Sie widerlegen mit vielen Beispielen, dass der Weg zur Landwirtschaft immer zu Staatsbildung mit der Herrschaft einiger weniger führen muss und zeigen an Hand neuer Ausgrabungen Beispiele, bei denen z.B. Landwirtschaft bewusst vermieden oder aufgegeben wurde und sie erzählen von Gesellschaften, die sich bewusst für eine egalitäre und demokratische Lebensweise entschieden haben, ohne dabei auf die Vorteile von Technologie und Kultur zu verzichten.

Zivilisation beginnt in vielen Fällen nicht in den Imperien die die Geschichtsschreibung dominieren, sondern in Gruppen von Menschen die gemeinsam, oft in demokratischer und recht egalitärer Form, ihr Leben gestalten - fast immer auch unter Einbeziehung aller Geschlechter.

Dort (oft sogar in sehr großen Städten ohne zentrale Herrscher) sind viele Errungenschaften des modernen Lebens entstanden: Das Kultivieren von Pflanzen, Extraktion von Nährstoffen und Medizin, Kunst, Techniken wie Metallurgie, Töpferei, Webkunst und Schneiderei und Handel.

Von den Geschichtsschreibern und der Öffentlichkeit bewundert werden jedoch meist die monumentalen Zeugnisse die die Größe der Herrscher repräsentieren sollen und die Mythen der gewalttätigen 'Helden', die 'über Leichen gehen' und die Grundlage dramatischer Kunstwerke abgeben.

Die friedlichen und demokratischen Abschnitte der Geschichte hinterlassen meist nur wenige touristisch verwertbare Spuren und weniger dramatische Erzählungen. Sie werden daher zumeist als 'primitivere' oder einfachere Gesellschaften betrachtet.

Eine ausführliche Zusammenfassung in der Wikipedia und die NYT, ebenso theatlantic.

 

 

Jared Diamond: Arm und Reich" - der biologische Ansatz

Jared Diamond bringt gute Argumente auf die Frage, warum Afrika arm und Europa und Asien reich sind. Das sind für mich ergänzende Punkte zu Ian Morris, "Why the West Rules - For Now".

Es ist für ihn eine Frage der natürlichen Voraussetzungen. Das fängt z.B. damit an, dass es in Afrika, Amerika und Australien so gut wie keine Tiere (und vergleichsweise wenige Pflanzen) gibt, die sich domestizieren lassen. Das steht im Gegensatz zu Europa/Asien, da gibt es reichlich, z.B. Huhn, Schwein, Rind, Pferd, Ziege, Schaf, Esel, Wasserbüffel, Hund, Zweihöckeriges Kamel, Dromedar. In Afrika fanden sich Null Tierarten, die dafür geeignet sind, in Amerika nur das Lama. Und das liegt nicht an den mangelnden Fähigkeiten der Bewohner. Im 19. und 20. Jhdt. wurden zahlreiche Versuche unternommen, andere Tierarten zu domestizieren, ohne jeden Erfolg (nicht alle Tiere, die wir "benutzen" sind domestiziert. Elephanten sind gezähmt, d.h. sie werden eingefangen und nicht gezüchtet).

Welche Voraussetzungen muss eine Tierart für die Domestizierung erfüllen?

  • Ernährung. Pflanzenfresser sind viel viel ökonomischer als Fleisch- und Energielieferant als Fleischfresser. Für eine 500 Kilo schwere Kuh brauche ich 5000 Kilo Mais. Für einen Fleischfresser gleicher Größe brauche ich 5000 Kilo Fleisch, d.h. das 10fache an Grundnahrung. Daher ist der Hund der einzige Fleischfresser, der domestiziert ist (und der wurde bereits sehr früh dahin gezüchtet, auch Getreide verdauen zu können)
  • Wachstumstempo. Gorillas und Elephanten sind zwar Pflanzenfresser, wachsen aber sehr langsam. Dies ist für die Züchtung ein großer Nachteil. Daher werden sie nur gejagt, bzw. eingefangen
  • Fortpflanzung in der Gefangenschaft. Daran ist z.B. die Züchtung von Geparden seit tausenden von Jahren gescheitert.
  • Unberechenbares Naturell. Große Säugetiere können leicht Menschen töten, sie müssen daher extrem gutmütig sein, um sich als Haustier zu eignen. Grizzlys ernähren sich hauptsächlich von Pflanzen, das Fleisch ist sehr begehrt, aber eine Zähmung ist immer gescheitert. Kaffernbüffel und Zebra scheiden aus dem gleichen Grund aus, obwohl sie beide als Pferd-Ersatz gut geeignet wären. Sie sind aber absolut unberechenbar. Auch Nilpferde wären gute Fleischlieferanten. Sie töten jedoch pro Jahr mehr Menschen als z.B. Löwen. Auch Elephanten sind aus diesem Grund problematisch, sie sind für die Wärter im Zoo statistisch die tödlichsten Tiere.
  • Neigung zu panikartiger Flucht. Hirsche, Gazellen und Antilopen neigen bei Annährung von Menschen oder Raubtieren zu panikartiger Flucht, Schafe und Ziegen suchen Schutz in der Herde.
  • Soziale Rangordnung. Die Vorfahren fast aller unserer Haustiere
    • leben in Herden,
    • haben eine starke Dominanzordnung (und akzeptieren als Haustier den Menschen als Leittier),
    • beanspruchen kein Revier allein, d.h. erlauben überlappende Weidegebiete.

Dabei haben die domestizierten Tiere eine große Bedeutung für den 'Energiehaushalt' der Gesellschaften und damit den Wohlstand. Nicht nur dienen sie als leicht erreichbare Eiweiß- und Kalorienquelle, das Pferd ermöglichte den Handel und den Transport über weite Entfernungen und zusammen mit dem Rind dienen sie als Antriebskraft, die z.B. neue Arten der Landwirtschaft ermöglichte. Das Pferd war die erste Superwaffe in der Kriegsführung, Völker mit Pferden waren militärisch stark im Vorteil.

Der nächste, ganz wichtige Punkt ist für Jared Diamond die Ausrichtung der Hauptachsen der Kontinente. Eurasien ist eher horizontal ausgerichtet, Amerika und Afrika vertikal. Das hat die Konsequenz, dass ein Gemüse, ein Getreide, Obst oder auch eine Haustierart, die auf ein bestimmtes Klima angewiesen ist, in Eurasien über weite Strecken in Ost-West Richtung "exportiert" werden kann und dabei immer wieder ein ähnliches Klima antrifft, in den Kontinenten mit Nord-Süd Ausrichtung wechselt das Klima nach einigen Hundert Kilometern bereits. Das im Zweistromland kultivierte Getreide konnte sich über ganz Asien verteilen, aber nicht in Richtung Afrika.

Aus der großen Zahl der Haustiere in Eurasien ergab sich aber noch ein anderer Effekt. Das enge Zusammenleben mit Haustieren überträgt viele Krankheiten auf die Menschen, was wir jetzt wieder bei der Diskussion der Grippe von den Hühnern sehen. Die Menschen in Eurasien haben gelernt, mit vielen dieser Krankheitserreger zu leben, und immun gegen sie zu werden. Die Kulturen ohne Haustiere, z.B. die Indianer waren jedoch den von den Europäern eingeschleppten Krankheitskeimen hilflos ausgeliefert. Bei der Eroberung des Westens gibt es Beispiele, dass die Indianerdörfer zum Teil schon stark dezimiert waren, bevor die Eroberer überhaupt eintrafen, weil die Krankheitserreger sich schneller ausgebreitet hatten als die Krieger.

Neu 2016:

2016 kommen neuere Studien zu dem Ergebnis, dass die Entstehung von komplexen sozialen Gesellschaftsssystemen und damit auch Ungleichheit andere Ursachen haben können. Hier der Link zu dem sehr ausführlichen Artikel The sinister, secret history of a food that everybody loves (Leider nicht mehr online zu finden). Der Artikel beginnt mit der Erklärung einer neuen Studie die Gesellschaften daraufhin untersucht, ob der Hauptkalorienlieferent Getreide oder Wurzeln (Kartoffeln, Yam, Tapioca, etc.) ist. Die Theorie besagt, dass Getreide komplexere Gesellschaftsstrukturen braucht weil Getreide typischerweise gelagert und transportiert wird, beides ist bei den Wurzeln sehr schwer (sie sind voller Wasser und damit schwer und halten sich schlecht). Wurzeln müssen mehr oder weniger sofort nach der Ernte gegessen werden, es gibt keine großen Lager bei bei Getreide, die ein Ziel für Diebe sind und bewacht werden müssen. Dafür braucht es Spezialisten, etc. Der Diebstahl von Wurzeln ist nicht ertragreich, der Dieb müsste sie selbst ernten und dann wegschleppen. Der Artikel zeigt Karten bei denen die komplexeren Gesellschaften dort sind, wo Getreide angebaut wird, im Gegensatz zu denen bei denen hauptsächlich Wurzeln gegessen werden. Getreide in Lagern, während die nächste Erntezeit abgewartet wird, ist auch einfacher zu besteuern, eine Möglichkeit für komplexe Gesellschaften, sich zu finanzieren.

Als Gegenargument wird angeführt, dass die Getreide-Gesellschaften hauptsächlich in den gemäßigten Regionen zu finden sind, und dass die Wurzeln in den Tropen das Hauptnahrungsmittel sind, wo es klimatisch bedingt andere Gründe gibt, die Gesellschaften an der Entwicklung von Komplexität hindern würden. Andere Skeptiker führen an, dass einiges dafür spricht, dass zumindest in einigen Fällen zuerst die komplexeren Gesellschaften entstanden und dass erst dann der Getreideackerbau eingeführt wurde - das Henne und Ei-Problem.

Dann wird aber noch ein weiteres Beispiel beschrieben: die ursprünglichen Bewohner des heutigen Kaliforniens hatten für die Ernährung 2 Optionen: Lachs, der reichlich vorhanden war und Eicheln. Lachs hat viele Vorteile: er war dort reichlich vorhanden, leicht zu fangen und durch Trocknung lange haltbar. Die Vearbeitung von Eicheln findet aber erst kurz vor der Mahlzeit statt und ist dann recht aufwändig. Die Wissenschaftler sagen, Lachs ist "front-loaded", d.h. es muss zuerst viel Arbeit investiert werden und danach besteht die Gefahr, dass ein Dieb das Endprodukt stielt. Eicheln sind "back-loaded", d.h. die Arbeit entsteht direkt vor der Mahlzeit, das Stehlen von Eicheln (und genauso von Kartoffeln) bringt nicht viel. Die Bewohner von Kalifornien sind zu dem Zeitpunkt von Eicheln auf Lachs umgestiegen, als sie sesshaft wurden und den getrockneten Lachs besser bewachen konnten als zu ihrer Nomadenzeit.

 

Jacques Gernet, A History of Chinese Civilization
Ich denke, dass der internationale Einfluss unterschiedlicher Kulturen 3 Aspekte hat. Militärische Macht, wirtschaftliche Macht und kulturellen Einfluss. Diese 3 Aspekte müssen nicht immer parallel gehen. Derzeit dominiert die USA (noch) auf allen 3 Gebieten - Aktualisierung 2021: bei der 'wirtschaftlichen Macht' verschiebt sich die Dominanz gerade nach China, dort werden z.B. bereits mehr Autos gebaut und gekauft als irgendwo sonst auf der Welt.

In der chinesischen Geschichte hat sich jedoch gezeigt, dass China immer dann offen war für kulturelle Einflüsse von außen, wenn China militärisch dominant war und die anderen Völker besiegt hatte. In solchen Epochen der Stärke war China bereit, andere Religionen, Kunstrichtungen, Kochrezepte, usw. zu übernehmen. Wenn China jedoch besetzt war, z.B. durch die Mongolen, so zog man sich auf die engste Definition der chinesischen Kultur zurück. (siehe Jacques Gernet, A History of Chinese Civilization, sehr zu empfehlen).

 

 

James Hawes: Die kürzeste Geschichte Deutschlands Endlich ergibt die deutsche Geschichte mal Sinn

Auf wunderbar kurzen 250 Seiten zeigt der Autor eine für mich überraschende Kontinuität der deutschen Geschichte aus römischen Zeiten bis in die akutelle Gegenwart. Sein Punkt ist, dass die Elbe traditionell seit 2000 Jahren die Grenze zwischen dem westlich, europäisch geprägten Deutschland und den wilden östlichen 'Kolonien' östlich der Elbe darstellt. Der Konflikt zwischen diesen Teilen zieht sich wie ein roter Faden durch die deutsche Geschichte und führt letztendlich zu den Katastrophen der beiden Weltkriege und der konkreten Trennung in BRD und DDR nach dem 2. Weltkrieg. Der Autor zeigt, wie selbst die aktuellen Wahlergebnisse im Osten und im Westen des vereinigten Deutschlands die alte Trennung in die unterschiedlichen Denkansätze leider immer noch widerspiegeln. Das ist für mich das beste Erklärbuch zur deutschen Geschichte und hinterlässt mich leicht ratlos, wie man es schaffen könnte, die immer noch aktiven Konflikte zwischen der Westorientierung und der Ostorientierung der deutschen Politik zu einer guten (weil weniger gefährlichen) Lösung zu bringen.

 

 
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Meine Billanz in 2005 (nachdem ich die 90iger Jahre in Asien verbracht hatte: Asiatische Einflüsse

Ich beobachte eine leichte Verschiebung der kulturellen Einflüsse in Richtung Asien. Es sind mehr und mehr asiatische Bilder in denen gedacht wird und asiatisch geprägte Ausdrucksformen in denen dargestellt wird. Ich sehe das für mich ganz stark im Kino.

Das sind nicht nur asiatische Filme wie "Tiger and Dragon", die hier im Kino Erfolge feiern, das sind mehr die anderen Einflüsse. So ist die Bildersprache von "Matrix" oder "Kill Bill" für mich sehr stark asiatisch geprägt. Zitat zu "Kill Bill": "But enthusiastic as Tarantino is about samurai sword-fights and Chinese stage acrobatics .....".

Zur asiatischen Bildersprache in Matrix hier mehr aus CHUD.com:

    "But just before Ang Lee’s tragic rooftop-hopping love story "Crouching Tigers, Hidden Dragon" captured audiences, Hollywood filmmakers’ infatuation with the fighting and sacrifice aspects of kung fu and wuxia would inexorably lead to the movie that would forever alter action films: The Matrix.

    Taking atmosphere and apparel from The Crow, combat cues from dozens of Hong Kong’s kung fu and “heroic bloodshed” movies, and visuals and concepts from Japanese anime and manga (which would need its own article to properly encompass), the Wachowski brothers stirred in philosophy, theology and a pinch of Lewis Carroll, and presented it with revolutionary special effects to create a sci-fi mindjob that, for better or worse, instantly erased all other martial arts action movies from the tongues of development executives.

    It was the wire-assisted battles in director Gordon Chan’s Fist of Legend (arguably Jet Li's best film) that made writer/directors Andy and Larry Wachowski seek out Hong Kong fight choreographer Yuen Woo Ping. A former Peking Opera student and noted filmmaker in China (see the fantastic Iron Monkey or Wing Chun for the man’s true capabilities), Woo Ping was hesitant to work on an American production. But he found himself intrigued by the brothers’ vision, and agreed to arrange the fight scenes (a full year before his work on Crouching Tiger). Though customary for Asian performers, the Wachowskis insisted their own American actors endure the grueling kung fu and wire training, setting a new standard for Hollywood actors performing their own stunts (before the filmmakers all but invalidated this by filling the screen with unnatural-looking CGI stuntmen for the sequels). The film’s trademark whirling “bullet time” camera technique, combined with the gravity-defiant martial arts, injected a previously unseen energy into on-screen combat that would, unfortunately, be often imitated and constantly referenced."

Der asiatische Einfluss, das sind aber auch die vielen chinesischen Regiseure, die jetzt in Hollywood drehen, z.B. Ang Lee, John Woo, Jackie Chan, Wong Kar Wei.

Noch ein Zitat aus dem Standard, Wien:

    Hayao Miyazaki zum Beispiel sollte man kennen: Der japanische Veteran in Sachen Anime wird nicht nur vom kreativen Pixar-Kopf John Lasseter (Toy Story, Finding Nemo) gerne als Vorbild genannt.

    Mindestens seit Miyazakis eigenwilliges Zivilisationskritikmärchen Chihiros Reise ins Zauberland, in Japan einer der erfolgreichsten Filme aller Zeiten, einen Goldenen Bären und 2003 einen Oscar erhielt, hat er sich auch im Westen etabliert.

    Die Auszeichnungen sind nur ein Indiz dafür, dass das Interesse an japanischen Filmen in den letzten Jahren weltweit beträchtlich gestiegen ist. Jüngster Effekt: Nach dem erfolgreichen Remake des japanischen Mystery-Horrorthrillers Ringu von Hideo Nakata - als The Ring von Gore Verbinski 2002 neu verfilmt - stehen in Hollywood derzeit gleich mehrere entsprechende Adaptionen an.