Die Zeit ist ein Nullsummenspiel - Was machen die Internet-Nutzer eigentlich Online?

Achtung: der Text ist ca. 2010 erstellt worden, d.h. keine aktuellen Zahlen.

Als Nullsummenspiel (Zeit die wir für A nutzen, können wir nicht für B verwenden) werden alle Vorgänge bezeichnet, wo der Gewinn des Einen, der Verlust des Anderen bedeutet. Hier heißt es, dass die Zeit, die die Menschen im Internet verbringen, natürlich irgendwo anders abgezogen werden muss. Woher diese Zeit kommt hat eine Studie Ende 2004 untersucht.

Ergebnis war, dass in den USA der durchschnittliche Internet-Nutzer 3 Stunden pro Tag online ist. Mehr als die Hälfte der Zeit (57%) war dabei für die Kommunikation mit anderen Menschen durch E-Mail, Chat, Instant Messaging. Der Rest der Zeit wurde für Web-Surfing und Online-Spiele ver (Spiele stark wachsend, derzeit 8,7%) wendet. Der größte Teil der 3 Stunden war im Büro und dienstlich, auch was die Kommunikation mit anderen Menschen betrifft.

Das Ergebnis der Studie war, dass sich die Kommunikation von der engeren Familie durch das Internet mehr zu Kollegen, Freunden und Bekannten verlagert. Für jede Stunde im Internet reduziert sich der direkte, persönliche Kontakt mit Kollegen, Freunden und Familie um 23,5 Minuten, der Fernseh-Konsum um 10 Minuten und der Schlaf um 8,5 Minuten. Die Internet-Nutzer kommunizieren insgesamt nur 1/6 ihrer Zeit mit der Familie und 5/6 mit Kollegen, Freunden und Bekannten. Ob dadurch die sozialen Bindungen in der Familie geschwächt werden, hat die Studie nicht untersucht.

Witz aus der New York Times über PC and Pixel (Mensch und Katze). Der Witz liegt darin, dass der Mensch jede Menge Kommunikationstechnik hat, aber niemanden zum Kommunizieren

Mein Kommentar dazu (als jemand, dessen soziale Beziehungen sehr weitgehend über das Internet ablaufen): Intensive, lang-andauernde Face-to-FaceZeit muss durchaus nicht besser sein, als evt. "flachere" Beziehungen in einem weiteren Netz, das nur über das Internet aufrecht erhalten werden kann. Wer den Ort seiner Kindheit verlassen hat, hat durch das Internet eine recht einfache Möglichkeit, Kontakt zu seinen Schulkameraden, Eltern und Geschwistern zu halten. Für einen Brief oder Anruf ist doch die Hemmschwelle oft etwas höher, den schiebt man oft auf die nächste Woche auf.

Natürlich können die Kontakte über das Internet nicht alle persönlichen Kontakte ersetzen. Eine enge Beziehung braucht die körperliche Anwesenheit des anderen, braucht die Nähe und kann nicht elektronisch vermittelt werden.

In den Jahren seit 2008 verschiebt sich die Nutzung des Internet für eine Altersgruppen deutlich weg vom E-Mail.
Quelle: NY Times, über eine Studie von comScore - Die Graphik zeigt, dass von Nov. 09 bis Nov 2010 bei den 12-17 jährigen Email ganz stark einbricht, aber bei den über 55 jährigen zunimmt. Die Messung basiert auf der Zeit, die mit dieser Anwendung verbracht wird.

Andererseits: Meine Kinder wohnen in Singapur und nur das Internet ermöglicht es mir, dass ich über Messenger fast jederzeit für sie erreichbar bin. Das Telefon wäre eine andere Möglichkeit, jedoch hat das für viele Menschen eine höhere Hemmschwelle (ob der andere sich wohl jetzt gestört fühlt?) und außerdem kostet es mehr Geld. Und viele meiner ehemaligen Kollegen hätte ich ohne Internet längst aus den Augen verloren. "Flache" soziale Kontakte sind für mich besser als keine sozialen Kontakte mit den Menschen, die ich sonst nur mühsamer erreichen könnte (Telefon oder Brief). Die Tatsache, dass die Internet-Nutzer so viel ihrer Zeit für die Kommunikation per Internet verwenden zeigt ganz klar, wie wichtig Kommunikation (in welcher Form auch immer) für uns Menschen ist.

Hier mehr zu Aspekten der neuen sozialen Networks ....., zu Chats, Blogs, aber auch zu "Alibi Networks".

Und hier findet man, was die Internet-Nutzer suchen, wenn sie nicht mit anderen Menschen kommunizieren (der Google-Trends).

 

E-Mail-Sucht - Entwöhnungskurse:
"Schaut euch das an: Annette hat es geschafft, am Rechner vorbeizugehen, obwohl sie weiß, dass sie 27 neue E-Mails im Eingang hat"

Richtiger Einsatz von E-mail

Mangelnde Anleitung hat in vielen Unternehmen eine E-Mail-Kultur einreißen lassen, die Produktivität vernichtet. Bereits heute verschwenden Mitarbeiter im Durchschnitt 30 Minuten mit unnötigen Mailtätigkeiten.Mit wachsender Tendenz.

Falsche E-Mail-Nutzung generiert nicht nur bei den betroffenen Mitarbeitern Ineffizienz. Vielmehr generieren diese wiederum bei Anderen Ineffizienzen. Ein Bericht in der NY Times berichtet (16.10.2005) von Untersuchungen, nach denen ein moderner Office-Worker im Schnitt nach 11 Minuten durch etwas anderes unterbrochen wird, sei es ein E-Mail, das Telefon, ein Kollege, der etwas möchte. Danach braucht es im Schnitt 25 Minuten, bis er wieder zur ursprünglichen Tätigkeit zurückfindet, weil nach der Unterbrechung der Faden erst mal abgerissen ist und jetzt erst mal einige der vielen anderen Tätigkeiten begonnen werden, die auch im Hinterkopf gespeichert waren, so z.B. den Anruf noch mal probieren, der vorher nicht durchkam, noch mal ins E-Mail zu schauen, schnell eines der E-Mails zu beantworten.

Letzteres ist evt. keine so schlechte Idee: das System "Getting Things done" von David Allen schlägt vor, dass alle E-Mails, die in 2 Minuten bearbeitet werden können, sofort bearbeitet werden sollen (entweder antworten, oder ablegen, oder den Termin im Kalender eintragen, je nachdem). Was länger braucht, soll in eine To-do Liste (die nicht unbedingt elektronisch sein muss, auch ein Zettel tut es). Vorteil dieser Methode ist, dass man sich nichts im Hinterkopf merken muss, denn das lenkt ab und stört die Konzentration.

Mein Freund Günter Weick bietet übrigens Kurse zum Thema "effektive E-Mail-Nutzung in Unternehmen" an. Es geht darum, wie Firmen ihren Mitarbeitern helfen können, die E-Mail-Flut zu meistern und E-Mail effektiv einzusetzen. Er schreibt "E-Mail und Instant Messaging sind vielversprechende Technologien - allerdings nur bei richtigem Einsatz. Die Risiken liegen dabei nicht nur in der Technik, sondern vor allem im Umgang der Mitarbeiter mit dem Kommunikationsmedium." Die E-Mail-Trainingskurse gibt es in D. und Ö.

Auch recht interessante Vorschläge zum Umgang mit E-Mail auf der Website von Mark Hurst, Good Experience, einem Berater für Benutzer-Interaktion. Hier noch etwas allgemeinere Betrachungen zu Benutzbarkeit und Reizüberflutung.

 

 

Weitere Informationen

People lie more on the phone than by email

Unterschiedliche Netze im Internet